Stuttgarter
Zeitung
Twilight kennt jeder, aber Debussy?
Gans
nah dran: Ostheimer Schüler und die Pianistin Meryem Akdenizli.
Foto:
Jürgen Brand
S-Ost
- Ja klar, die romantische Vampir-Serie Twilight kennen sie fast alle,
die Schüler der Berger Schule und der Werkrealschule Ostheim, was für
eine Frage! Aber Debussy? Wer soll das denn sein? Da zucken die etwa 40
Mädchen und Jungen im Musiksaal der Grundschule Ostheim doch etwas
ratlos mit den Achseln. Dabei kennen die meisten von ihnen ein Stück
des französischen Komponisten, der von 1862 bis 1918 gelebt hat, sie
wissen es nur nicht: „Clair de Lune“ ist sozusagen der Soundtrack der
beliebten Blutsauger-Saga. Seit Mittwoch wissen die Schüler es.
Nahe gebracht hat ihnen dies die Konzertpianistin Meryem Natalie
Akdenizli in einer besonderen Musikstunde, die der Lehrer Frank
Marszalek von der Berger Schule mit Hilfe des Projekts Rhapsody in
School (siehe Infokasten) organisiert hatte. Akdenizli nahm die Kinder
mit auf eine Zeitreise durch 300 Jahre klassische Musik, erklärte
Kompositionen und Komponisten, zeigte die Bestandteile eines Flügels
und gab ein exklusives Konzert.
„Wer von euch war denn schon einmal in einem klassischen Konzert?“,
fragt Akdenizli ganz am Anfang. Vier der Schüler hoben die Hand. Die
anderen erlebten eine Premiere. „Ich mache heute ein richtiges
klassisches Konzert wie in der Liederhalle“, sagt die Pianistin, die
sich auch international schon einen Namen gemacht und selbst das
Konzept für Gesprächskonzerte mit dem Titel „In 80 Minuten durch die
Musikepochen“ erarbeitet hat. In der Schule schafft sie es auch
schneller.
„Die Stuttgarter halten halt zusammen“
Meryem Akdenizli hat eine deutsche Mutter und einen türkischen Vater
und kommt aus Stuttgart. Als sie sieben Jahre alt war, bekam sie den
ersten Klavierunterricht, auf richtigen Konzertflügeln durfte sie
damals im Untergeschoss von Piano Fischer in der Theodor-Heuss-Straße
üben. Mit 15 hatte sie ihren ersten Auftritt in der Liederhalle, heute
gibt sie jedes Jahr mehr als 40 Konzerte in der ganzen Welt. Sie
studierte in Trossingen und in Hannover, inzwischen lebt sie in
München. Auch in der bayerischen Hauptstadt wird sie vom Unternehmen
Piano Fischer unterstützt, das dort eine Niederlassung hat. Akdenizli:
„Die Stuttgarter halten halt zusammen.“
Ihrem ausnahmsweise mal ganz stillen Publikum im Ostheimer Musiksaal
erzählt sie, dass es auch einem Beethoven nicht anders ging, als dem
einen oder anderen bei seinen Hausaufgaben: Er kam ab und zu einfach
nicht weiter mit seiner Komponiererei, manchmal blieb er drei Wochen
lang an drei Noten hängen. Auch den „Superstar seiner Zeit“, Franz
Liszt, stellt sie den Schülern mit seinem „Totentanz“ vor. „Bei seinen
Konzerten sind die Damen reihenweise in Ohnmacht gefallen“, erzählt die
Künstlerin. „Nach dem Konzert haben manche vor Begeisterung ihren
Schmuck auf die Bühne geworfen.“ Als sie zum Abschluss bei einem Werk
des zeitgenössischen Komponisten Janez Maticic (Toccata-Fantasia) den
Flügel mit Fäusten und Unterarmen virtuos bearbeitet, ist ihr auch die
– wenn auch schmucklose – Begeisterung der Schüler sicher.
Rhapsody in School
Idee:
Die Idee für das Projekt Rhapsody in School hatte der Pianist Lars
Vogt. Zusammen mit einigen Musiker-Kollegen wollte er Schülern an
allgemeinbildenden Schulen klassische Musik näher bringen. Das Projekt
wurde am 14. September 2005 mit einem Auftritt von Vogt in der
Anna-Freud-Schule in Köln gegründet. Inzwischen engagieren sich viele
zum Teil auch namhafte Musikerinnen und Musiker aus dem Bereich der
klassischen Musik ehrenamtlich für das Projekt.
Konzept:
Musiker, die in einer Stadt ein Konzert geben, können für
Gesprächskonzerte oder Proben in Schulen engagiert werden. Besucht
werden Schulen in Deutschland, in Wien und deutsche Schulen im Ausland.
Kontakt
Informationen über das Projekt, die Künstler, die Termine und die
Kontaktdaten der Ansprechpartner sind im Internet unter
www.rhapsody-in-school.de zu finden.
Quelle: Stuttgarter Zeitung – Rezension pdf